In der Lebenswelt von heute haben Geltungsansprüche ihre Saison wie Moden und Marotten, sie sind aufmerksamkeitserheischend. Was dabei neu und dominant ist, das wird für normal, respektive für «new normal», gehalten: «New normal» formt Images, wirkt pseudo-normativ und selbstoptimierend. Geltungsansprüche, haben sie Substanz, sind sodann Objekte, ihnen steht das Subjekt nolens volens gegenüber. Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ist für jedes Individuum konstitutiv und unumgehbar, wie Karl Jaspers formulierte:
«Die Begründungen im Kampf der Schulen haben in Jahrtausenden nicht vermocht, einen diese Standpunkte als den wahren zu erweisen. Für jeden zeigt sich etwas Wahres, nämlich eine Anschauung und eine Forschungsweise, die in der Welt etwas zu sehen lehrt. Aber jeder wird falsch, wenn er sich zum einzigen macht und alles, was ist, durch seine Grundauffassung erklären will.
Woran liegt das? Allen diesen Anschauungen ist eines gemeinsam: sie erfassen das Sein als etwas, das mir als Gegenstand gegenübersteht, auf das ich als auf ein mir gegenüberstehendes Objekt, es meinend, gerichtet bin. Dieses Urphänomen unseres bewussten Daseins ist uns so selbstverständlich, dass wir sein Rätsel kaum spüren, weil wir es gar nicht befragen. Das, was wir denken, von dem wir sprechen, ist stets ein anderes als wir, ist das, worauf wir, die Subjekte, als auf ein Gegenüberstehendes, die Objekte, gerichtet sind. Wenn wir uns selbst zum Gegenstand unseres Denkens machen, werden wir selbst gleichsam zum anderen und sind immer zugleich als ein denkendes Ich wieder da, das dieses Denken seiner selbst vollzieht, aber doch selbst nicht angemessen als Objekt gedacht werden kann, weil es immer wieder die Voraussetzung jedes Objektgewordenseins ist. Wir nennen diesen Grundbefund unseres denkenden Daseins die Subjekt-Objekt-Spaltung. Ständig sind wir in ihr, wenn wir wachen und bewusst sind. Wir können uns denkend drehen und wenden, wie wir wollen, immer sind wir in dieser Spaltung auf Gegenständliches gerichtet, sei der Gegenstand die Realität unserer Sinneswahrnehmung, sei es der Gedanke idealer Gegenstände, etwas Zahlen und Figuren, sei es ein Phantasieinhalt oder gar die Imagination eines Unmöglichen. Immer sind Gegenstände als Inhalt unseres Bewusstseins äusserlich oder innerlich uns gegenüber. Es gibt – mit Schopenhauers Ausdruck – kein Objekt ohne Subjekt und kein Subjekt ohne Objekt.»[1]
[1] Karl Jaspers: Einführung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge. München: Piper, 1953; Taschenbuchausgabe: München: Piper, 31/2015; Seite 24-25.
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