Janus versus Würde

 

Moral und Politik ebenso wie Welt und Wirtschaft haben zwei Gesichter – passen sie zusammen? Haben wir uns mit dieser Janusköpfigkeit abgefunden, oder stehen wir ihretwegen etwas überfordert da, als stünden wir an einer Weggabelung? Bei beiden Wegen können wir nicht abschätzen, wohin sie führen, sicher ist, dass wir uns zu entscheiden haben. Hat ein bestimmtes Dilemma seine Ursache etwa in einem wirtschaftsethischen, organisatorischen oder zwischenmenschlichen Zwiespalt? Ist die Ursache die kognitive Dissonanz innerhalb eines Teams, die versteckte Logik eines Verhaltens wie Intrige, Kollaboration, Heuchelei oder die Diskrepanz z.B. zwischen Selbstbestimmung und Vereinnahmung?

Oder ist die Ursache des persönlichen Problems einer der sogenannten Betafehler? Sie entstehen, wenn sich Prozesse in grossen Organisationen verselbständigen und Widersprüche erzeugen, das heisst in Zusammenhänge übergehen, die niemand mehr im Griff hat. Wir hatten einmal angenommen, der technische Fortschritt würde uns ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Nun haben wir uns mit mehr Dingen zu beschäftigen, als wir verarbeiten können.

So recht scheinen wir jedenfalls bis heute allesamt nicht zu wissen, wer wir sind und wodurch wir uns selbst verwirklichen. Wer oder was hat uns zu dem gemacht, was wir sind? Woran wollen wir uns orientieren bei dem, was wir denken, sagen und tun?

Wer sich seiner Würde bewusst wird, ist nicht mehr verführbar. Die Vorstellung von der Würde, die jeder Mensch besitzt, ist die entscheidende Voraussetzung jeder demokratischen Gesellschaft. Im Anschluss an diese ethische Maxime ist hinwiederum nach dem anthropologischen Schlüssel zu fragen.

Ist dafür die Erkenntnis des Neurobiologen zweckmässig, wie integriert er darin die Vorstellung von der Würde des Menschen? Gerald Hüther beschreibt die Würde des Menschen als eine «uns Menschen eigenen, in der inneren Organisation und Arbeitsweise unseres Gehirns verankerten Anlage.»[1] So streng funktional bestimmt, ist dadurch aber auch zu verstehen gegeben, wo die schöpferische Kraft der Selbstbestimmung, noch bevor jegliches moralische Urteil zustande kommt, angelegt ist – in der Kongruenz von Natur und Geist.


© Lic. phil. Hans-Peter Fleury, 2018



[1] Gerald Hüther: Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft. München (Knaus) 3/2018, S. 87.



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