Zur Zweiheit von Denken und Handel

 

Am gemeinsamen Ursprung von Philosophie und Ökonomie steht einmal mehr Aristoteles. Doch im 17. Jhdt. hat sich in ganz Europa eine neuartige Sicht auf die Ökonomie entwickelt, deren Kristallisationspunkt Adam Smith wird: Er ist nicht nur der wichtigste Vordenker von Kapitalismus und Marktwirtschaft, sondern auch ihr erster grundlegender Kritiker.

Adam Smith ist nicht nur der Wirtschaftstheoretiker an der Universität Glasgow, der die zentrale Rolle des Marktes betont, sondern auch Professor für Logik und für Moralphilosophie (ab 1752). Seine Bücher handeln grundlegend von Tugenden: Die «Theorie der ethischen Gefühle» von Mässigung und «Der Wohlstand der Nationen» von Klugheit. Mit diesen Werken ordnet Smith menschliches und wirtschaftliches Verhalten in einen ethischen Kontext ein.

Seine Nachfolger verlieren dies aber allmählich aus den Augen und formen die Ökonomie-Lehre mehr und mehr um. Während des 19. Jhdt. wird die Diskussion über Ethik immer mehr auf Sonntagspredigten eingeschränkt. Für die Umformung im 20. Jhdt. bezeichnend ist, dass 1947 der Ökonom Paul Samuelson ethische und normative Fragen als nicht wissenschaftlich aus der Theorie der Ökonomie entfernt. Das wäre für Adam Smith sinnlos gewesen.

Doch das Gedankengut, wonach Wirtschaft und Moral voneinander zu trennen seien, wird zum prominenten Lehrstoff an modernen Business-Schulen. Diese Trennungsthese scheint aber nicht der ökonomischen Praxis selbst zu entspringen, denn sie ist ja von Werten und Normen imprägniert! Die Trennung von Profit und Moral wird von ökonomischen Praktikern, besonders von jenen mit Führungsverantwortung, heute eindeutiger denn je bestritten.

Ökonomische Praktiker sehen, dass ihren strategischen Entscheiden ihre per­sönlichen Werturteile vorangehen – und dass Werturteile nicht ohne Moral und Ethik möglich sind. Für aufgeschlossene Ökonomen und Unternehmensethiker geht es deshalb nicht um die Ablösung der Ökonomie, sondern um deren Vertrauenswür­digkeit. Gefragt dafür ist ein kompetitiv und moralisch konsistenter Zukunftsentwurf, der das unternehmerische Handeln und Verhalten wahrhaftig inspiriert.

 


© Lic. phil. Hans-Peter Fleury, 2019



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